Weniger Lärm –
mehr Lebensqualität
Stadt und Kanton St.Gallen setzen laufend Massnahmen zur Lärmsanierung um. Gleichzeitig steigt in der Bevölkerung der Wunsch nach zusätzlichen Tempo-30-Zonen sowie nach Begegnungszonen mit Tempo 20. Denn weniger Lärm bedeutet auch mehr Lebensqualität. Wenn Tempo 30 statt Tempo 50 gilt, werden die Lärmemissionen um rund drei Dezibel reduziert. Zudem werten tiefere Geschwindigkeiten den Strassenraum auf, weil sich die Menschen darin sicherer bewegen und begegnen können. Damit die Massnahmen kein Flickwerk werden, haben Stadt und Kanton in einem Projekt ein Gesamtkonzept. «Stadttempo» erarbeitet.

Ganzheitlicher
Lärmschutz – bessere
Verkehrsplanung
Das Konzept «Stadttempo» nimmt sich dem Lärmschutz ganzheitlich an. Wir leuchten das gesamte Verkehrsnetz sowohl am Tag wie auch in der Nacht aus. Nachts sind viele Fahrzeuge schneller unterwegs als am Tag, weil sie nicht vom Verkehr gebremst werden. Die höhere Geschwindigkeit führt daher in der Nacht zu mehr Lärm durch einzelne Fahrzeuge, der bei vielen Menschen Schlafstörungen verursacht. Die Bevölkerung hat nachts ein grösseres Ruhebedürfnis und profitiert daher besonders stark von Lärmreduktionen. Auch wirken sich langsamere Geschwindigkeiten in der Nacht weniger stark auf den öffentlichen Verkehr aus als tagsüber.
Unser Ziel ist es, mit dem ganzheitlichen Lärmschutz ebenfalls die Verkehrsplanung der Stadt St.Gallen zu verbessern. Mit dem Konzept «Stadttempo» betrachten und beurteilen wir die verschiedenen Strassennetze deshalb gesamtheitlich. Dabei berücksichtigen wir die Bedürfnisse sowohl des Lärmschutzes wie auch der Verkehrsplanung, der Verkehrssicherheit und der Raumplanung.
Pflicht der Behörden –
Recht der Bevölkerung
Stadt und Kanton St.Gallen sind verpflichtet, den Lärmschutz auf ihren Strassen zu verbessern. Denn nach wie vor werden die Lärmgrenzwerte an mehreren Strassen der Stadt St.Gallen überschritten. Das Umweltschutzgesetz (USG) schreibt den Behörden in diesem Fall vor, die betroffenen Strassen zu sanieren, um die Lärmbelastung zu senken. Die Lärmschutzverordnung (LSV) setzt die Grenzwerte und das entsprechende Vorgehen fest. Die Signalisationsverordnung (SSV) legt fest, unter welchen Bedingungen eine Temporeduktion erlaubt ist. Lärmschutz gehört gemäss Art. 108 Abs 2d auch dazu. Zudem ist für die Einführung einer Temporeduktion auf Hauptverkehrsstrassen ein vorgängiges Gutachten notwendig.

Sanierungspflicht: Diese Pflicht gilt für alle Eigentümer*innen von Strassen, in denen der Verkehr Lärmgrenzwerte überschreitet. Reihenfolge beim Prüfen bzw. Umsetzen von Lärmschutzmassnahmen:
1. Massnahmen «an der Quelle». Beispiele dafür sind etwa Anpassungen an Fahrzeugen oder Belägen sowie die Reduktion von Verkehr oder Geschwindigkeit.
2. Massnahmen am «Ausbreitungsweg», also etwa mit dem Bau von Lärmschutzwänden.
3. Ersatzmassnahmen am Gebäude, beispielsweise mit schalldämpfenden Fenstern.
Eine Temporeduktion erfolgt nach Art. 108, Absatz 2d der Signalisationsverordnung.
Die allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten können herabgesetzt werden, wenn:
1. eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben ist;
2. bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürfen;
3. auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert werden kann;
4. dadurch eine im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung übermässige Umweltbelastung (Lärm, Schadstoffe) vermindert werden kann. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren.

Richtige Massnahme – starke Wirkung
Mit einer Temporeduktion senken wir die Lärmemissionen dort, wo sie entstehen: beim Verkehr selbst. Damit setzen wir – wie gesetzlich vorgeschrieben – auf eine lärmsenkende Massnahme an der Quelle. Auch andere Massnahmen kämen dafür in Frage: beispielsweise Umfahrungen, Einbahnstrassen, Nachtfahrverbote oder Lastwagenverbote. Viele dieser Massnahmen kommen auf dem Hauptstrassennetz jedoch nicht zur Anwendung, da der Verkehr ja weiterhin auf diesen Strassen unterwegs sein soll.
Eine weitere Möglichkeit sind lärmarme Beläge, welche vielerorts auch bereits eingebaut werden. In der Stadt St.Gallen sind die Bedingungen etwas schwieriger. Schnee, Steigung und Höhenlage beeinträchtigen die Langzeitwirkung dieser «Flüsterbeläge». Desahlb läuft in St.Gallen noch eine Testphase. Jedoch reichen auch lärmarme Beläge meist nicht aus, um die Grenzwerte einzuhalten. Eine Temporeduktion ist deshalb jene Massnahme, die am meisten Wirkung verspricht und wenig Nachteile mit sich bringt.
Weniger Lärm –
mehr Vorteile
Eine Temporeduktion bringt nicht nur mehr Ruhe in ein Quartier, sondern hat auch in anderen Bereichen mehr Vor- als Nachteile.
Fliesst der Verkehr gemächlicher durch ein Wohn- und Geschäftsquartier, wertet dies den städtischen Lebensraum auf: Er bietet allen mehr Platz zum Verweilen. Strassen mit Tempo 30 ermöglichen den Menschen, ihre Wege vermehrt zu Fuss oder mit dem Velo zurückzulegen.
Wer langsamer unterwegs ist, hat einen massiv kürzeren Bremsweg. Auch die Aufprallenergie bei einem Unfall ist deutlich geringer. Die Fahrzeuglenkenden nehmen zudem viel mehr Details im Strassenraum wahr; sie haben daher eine schnellere und bessere Reaktion. Eine Temporeduktion wirkt sich also positiv auf die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden aus. Dieser Vorteil zeigt sich besonders in Quartieren mit nahegelegenen Schulen, Altersheimen oder mit viel Gewerbe mit Laufkundschaft.
Ob der Verkehr in einem städtischen Strassennetz fliesst, stockt oder sich staut, hängt massgeblich davon ab, wie viele Fahrzeuge einen Strassenabschnitt in einer bestimmten Zeit passieren können. Dies gilt insbesondere für die stark befahrenen Verkehrsknoten. Wird sich der Verkehrsfluss auf diesen Strassen durch Tempo 30 verbessern? Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Denn der Verkehrsfluss hängt von weiteren Faktoren ab, etwa vom Abstand zwischen zwei Verkehrsknoten. Geschwindigkeitsreduktionen können auf gewissen Streckenabschnitten zu einem gleichmässigeren Verkehrsfluss führen.
Der Wechsel zu Tempo 30 auf Hauptstrassen kann zu längeren Reisezeiten führen. Unter Umständen werden Fahrzeuglenkende deshalb eine Route über das übergeordnete Strassennetz, also die Stadtautobahn, bevorzugen. Dies würde das Stadtnetz entlasten; insbesondere die parallel zur Stadtautobahn verlaufenden Achsen wie die Zürcher Strasse, die Fürstenlandstrasse und die Rorschacher Strasse.
Es besteht jedoch – ohne flankierende Massnahmen – auch die Gefahr, dass Tempo 30 auf Hauptstrassen zu Verkehrsverlagerungen auf das untergeordnete Strassennetz führen kann. Daher wurden im Konzept auch die Parallelachsen berücksichtigt.
Geschwindigkeitsreduktionen wirken sich auch auf den öffentlichen Verkehr aus. Diesem Aspekt messen wir viel Bedeutung zu. Unsere Prüfungen schliessen deshalb auch einen allfälligen Fahrzeitverlust des öffentlichen Verkehrs ein. Tempo 30 führt nicht auf allen betroffenen Linien zu wesentlichen Zeitverlusten. Unsere Erkenntnisse zeigen auf, dass vor allem in den Spitzenzeiten und auf Linien, die bereits heute mit Verspätungen kämpfen, mit zusätzlicher Reisezeit zu rechnen ist.
Unsere Untersuchungen des Autoverkehrs zeigte, dass Tempo 30 die Reisezeit nicht wesentlich verlängert, – sowohl in Bezug auf die Grössenordnung als auch im Verhältnis zur Gesamtreisezeit.
Andere Städte –
ähnliche Lösungen
Führt Tempo 30 tatsächlich auch auf Hauptstrassen zu weniger Lärm? Ja. Dies zeigen verschiedene Beispiele aus anderen Schweizer Städten: Mit Temporeduktionen auf Hauptstrassen schafften es die Behörden in Zürich und Lausanne, den Lärm in den Wohngebieten langfristig zu senken. Städte wie Genf, Basel und Winterthur sind ebenfalls daran, Konzepte zur Temporeduktion auf Hauptstrassen zu entwickeln.
Die Stadt Zürich untersuchte die Wirkung von Tempo 30 auf Hauptstrassen im Jahr 2019 auf neun verschiedenen Teilstrecken. Das Ergebnis: Mit Tempo 30 nimmt der Lärm spürbar ab. Die Wirkungsanalyse zeigte auch auf, dass Signalisation und Markierungen ausreichen, um die Geschwindigkeit erfolgreich zu senken.
Im Jahr 2021 führte Lausanne nachts Tempo 30 auf allen Hauptstrassen im gesamten Stadtgebiet ein – dies nach einem mehrere Jahre dauernden Pilotversuch. Die erste Bilanz ist positiv. Die Erfahrungen in Lausanne sind auch ins Konzept «Stadttempo» mit eingeflossen. Mehr Infos zum Projekt gibt es hier.
Geringe Kosten –
grosser Nutzen
In einem ersten Schritt haben wir im Rahmen von «Stadttempo» an jedem «Lärm-Hotspot» der Stadt St.Gallen die Wirkung von Tempo 30 geprüft. Anschliessend setzen wir die Massnahmen etappenweise um. Als erstes nehmen wir jene Strassen in den Fokus, in denen die erwartete Lärmreduktion am grössten und die Kosten am geringsten sind.
Die Umsetzung erfolgt in vier Etappen und dauert mindestens bis ins Jahr 2028. Falls es zu Einsprachen kommt, kann sie auch länger dauern.
Etappe 1 – Tempo 30 nachts auf fast allen Hauptstrassen
In einer ersten Etappe wird Tempo 30 nur nachts von 22 bis 6 Uhr gelten – dafür auf fast allen Hauptstrassen der Stadt St.Gallen, ausgenommen Winkeln. Diese Massnahme soll den Verkehrslärm in der Nacht spürbar senken und bei geringen Kosten einen grossen Nutzen bringen. Ein weiterer Vorteil: Der öffentliche Verkehr kann seine Fahrpläne nachts auch mit reduzierten Geschwindigkeiten einhalten.
Etappe 2 – Tempo 30 tagsüber auf ausgewählten Hauptstrassen
In der zweiten Etappe führen wir Tempo 30 auf einzelnen Strassen auch tagsüber ein. Diese Massnahme betrifft in erster Linie jene Strassen, auf denen eine Temporeduktion tagsüber keine Folgekosten für den Busverkehr mit sich bringt: einzelne Abschnitte der Teufener Strasse, der St.-Georgen-Strasse, der St.Josefen-Strasse, der Splügenstrasse, der Felsenstrasse sowie der Gottfried-Keller-Strasse. Damit die Verkehrsteilnehmenden nicht auf untergeordnete Strassen ausweichen, ziehen wir auch Parallelrouten mit ein, etwa die Schönaustrasse. Ausserdem wird Tempo 30 auch in den Abschnitten zwischen den vorgesehenen Strecken gelten. Dies ermöglicht eine einheitliche Signalisation.
Etappe 3 – weitere Strassen kommen dazu
In der dritten Etappe führen wir Tempo 30 am Tag auch auf jenen Strassen ein, auf denen wir Folgekosten für den öffentlichen Verkehr erwarten. Allerdings nur auf jenen Abschnitten, die einen grossen Nutzen bzw. eine grosse Lärmreduktion versprechen und in denen die Folgekosten verhältnismässig klein sind. Dies betrifft einzelne Abschnitte der St.Jakob-Strasse, der Langgasse, der Fürstenlandstrasse, der Oberstrasse sowie der Speicherstrasse. Auch hier beziehen wir Parallelrouten wie die Müller-Friedberg-Strasse oder die Oberstrasse mit ein, um Ausweichverkehr zu vermeiden.
Etappe 4 – Temporeduktion auch auf der Rorschacher- und der Zürcher Strasse
In einem letzten Schritt setzen wir Tempo 30 auf Teilstrecken der Rorschacher- und der Zürcher Strasse um: insbesondere auf jenen Abschnitten, in denen die Lärmgrenzwerte massgebend überschritten werden. Auch hier schliessen wir die Lücken zwischen den Abschnitten. Verhältnismässig kurze isolierte Abschnitte werden aber aus der Temporeduktion «entlassen». Um Ausweichverkehr in die Quartiere zu vermeiden, senken wir die Höchstgeschwindigkeit auch hier auf Parallelrouten. Wichtig ist uns bei der Umsetzung, dass die Linienbusse ihre Fahrpläne auf diesen Strecken weiterhin einhalten und bei Bedarf Kapazität ausbauen können. Wir stimmen die einzelnen Schritte deshalb mit dem Busverkehr ab.
Terminplan

Damit wir Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsachsen umsetzen dürfen, sind entsprechende Verkehrsanordnungen durch die Stadtpolizei notwendig. Die Polizei bezieht sich darin auf die gesetzlich vorgeschriebenen, vorgängig erstellten Verkehrsgutachten. Diese Berichte helfen uns, für jede Strecke einzeln zu beurteilen, ob die vorgesehene Temporeduktion verhältnismässig ist. Es ist uns ein Anliegen, dabei die verschiedenen Interessen abzuwägen. Insbesondere in der Rorschacher- und der Zürcher Strasse ist es wichtig, dass wir Kosten und Nutzen unter die Lupe nehmen. Denn auf diesen Verkehrsachsen hat eine Temporeduktion finanzielle Folgen für den öffentlichen Verkehr – etwa für Anpassungen des Fahrplans, um Verspätungen zu vermeiden, oder für einen Ausbau der Kapazitäten.